Kapitel Zwei Die Suche (1950 - 1963)

Kirpal Singh und Ruhani Satsang

Ich habe unter vielen Meistern studiert, und werde wohl noch bei so manchem in die Schule gehen. Auch Meher Baba, der indische Heilige, hatte angeblich neunzehn Meister, die ihm dabei halfen, seinen Platz im Universum einzunehmen. Ich hatte bisher sieben, darunter hervorragende wie Sri Kirpal Singh aus Delhi. Jeder war für mein spirituelles Wachstum wichtig, jeder gleich groß in seinem Werk für die Menschheit. Dennoch empfand ich eine engere Beziehung zu Kirpal Singh...
[Paul Twitchell, op. cit., Seite 34].

Man bedenke, dass der Name Kirpal Singh in der Illuminated Press-Ausgabe in Sudar Singh umgeändert wurde. Siehe Kapitel Fünf.

Nachdem er die Self-Revelation Church in Washington, D.C. verlassen hatte, kam er in Kontakt mit Kirpal Singh, dem Gründer von Ruhani Satsang. Es war Kirpal Singh, der von allen Lehrmeistern den größten Einfluss auf Twitchells spirituelle Entwicklung ausübte. Und tatsächlich sollte er Jahre später sogar seine eigene Bewegung Eckankar gründen, die fast ausschließlich auf den Lehren von Kirpal Singh und Ruhani Satsang aufbaut.

Kirpal Singh war ein Schüler des Radhasoami Satsang Beas Meisters, Sawan Singh. Er wurde 1924 initiiert und diente seinem Guru getreu vierundzwanzig Jahre lang. 1948 starb Sawan Singh und übertrug die spirituelle Aufgaben an Jagat Singh (1948-1951 Leiter von RSB). Kirpal Singh behauptete jedoch, er wäre der wahre Erbe der Mission seines Meisters. Mit der Zeit gründete er eine neue Bewegung mit dem Namen Ruhani Satsang, einem Zentrum "für die Verbreitung reiner spiritueller Lehren für die Menschheit, unabhängig von Klassenunterschieden, Kaste, Hautfarbe, Abstammung, Religion, Alter, Erziehung und Status." [Kirpal Singh, Ruhani Satsang: Science of Spirituality (Delhi: Ruhani Satsang, 1970), page 1].

1955 unternahm Kirpal Singh seine erste Tour durch die Vereinigten Staaten. Noch im selben Jahr wurde Paul Twitchell initiiert und wurde ein Anhänger von Kirpal Singh und seinem Satsang. [Kirpal Singh, Heart to Heart Talks, Volume I (Delhi: Ruhani Satsang, 1975), page 53].

Mehr als acht Jahre blieb Twitchell in freundschaftlichem Kontakt mit Kirpal Singh. In den Jahren 1956/1957 lebte Twitchell in Washington, D.C. und besuchte Satsangs (Studiengruppen), die von Tricholan Singh Khanna, Kirpal Singhs erstem Repräsentanten in den Vereinigten Staaten, abgehalten wurden.

Bei diesen Gelegenheiten brachte Twitchell eigene spirituelle Schriften mit, die er mit anderen "Satsangis" (Initiierten) diskutierte. Einige dieser "Satsangis" leben heute noch.

Im März 1988 wurde ich von Sant Darshan Singh, dem Sohn und spirituellen Nachfolger des verstorbenen Kirpal Sing, und seiner Frau eingeladen, um sie im Sawan-Kirpal Ashram in Vijay Nagar bei Old Dehli zu besuchen. Es war mein sechstes Treffen mit dem ehrwürdigen Leiter einer der größten Surat Shabd Yoga-Gruppen der Welt. Darsahn war der bekannte Dichter der Urdu Mysterien und hatte eine Reihe von Büchern über Spiritualität geschrieben. Dazu gehören: "Spiritual Awakening" und "Secret of Secrets".

Obwohl ich lange Gespräche mit Darshan Singh geführt hatte, nahm ich nicht an, dass wir in den nächsten zwei Tagen fast zehn Stunden über verschiedene Aspekte von Radhasoami und Sant Mat diskutieren würden. Das Bemerkenswerteste an diesem Besuch war jedoch, dass Darshan Paul Twitchells Initiationspapiere und andere diesbezügliche Korrespondenz entdeckt hatte (Sie waren auf Grund mangelhafter Buchführung von Madam Hardevi und Thakar Singh jahrelang verloren gegangen. - Siehe auch unter Abschnitt "Gail Atkinson", Anm. d. Ü.), die eindeutig die über zehn Jahre lange Verbindung mit Kirpal Singh und Ruhani Satsang dokumentierte. Ich ging gewissenhaft die Unterlagen durch, die eine Anzahl herzlicher Briefe von Paul Twitchell an seinen "Meister" Kirpal Singh enthielten.

Paul Twitchell wurde bekannterweise von Kirpal Singh im Jahre 1955 initiiert. Seine Erlebnisse während der Initiation schienen von Bedeutung gewesen zu sein: Er hörte den inneren Ton, sah ein Licht und fühlte sich angehoben. Und in der Tat enthüllt die Korrespondenz mit Kirpal Singh, dass er nächtliche außerkörperliche Erfahrungen hatte, in denen er offensichtlich höhere astrale Regionen besucht und mit mehreren spirituellen Meistern, darunter Sawan Singh, Gespräche geführt hatte. Interessanterweise erwähnt Twitchell in seinen Briefen an Kirpal Singh kein einziges Mal Rabazar Tarzs oder Sudar Singh. Man beachte, dass sich die Korrespondenz über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt erstreckt (1955-1966). Wenn man den Briefwechsel genauer untersucht, wird einem klar, dass Twitchells Inspiration für Eckankar direkt in seinem Kontakt mit Kirpal Singh und Ruhani Satsang zu suchen ist. Twitchell geht sogar so weit, Kirpal Singh zu bitten, sein Buch "The Tiger's Fang" zu publizieren. Das war 1966, gut ein Jahr, nachdem er Eckankar gegründet hatte.

Anscheinend waren es vorrangig wirtschaftliche Gründe, warum Twitchell mit Kirpal Singh brach. Wäre Eckankar nicht so gut angelaufen, hätte Twitchell die freundschaftliche Beziehung zu Kirpal Singh wahrscheinlich aufrecht erhalten. Aber so stellte es sich heraus, dass Kirpal Singh eine bedeutende Gefahr für Twitchells aufstrebendes Imperium darstellte, denn - im Gegensatz zu Eckankar - bot Ruhani Satsang seine Lehren kostenlos an.

Ein weiterer wichtiger Informationshinweis sind Gail Atkinsons Initiationsunterlagen. Sie war 1963 initiiert worden und hatte anscheinend, wie ihr Ehemann Paul, während der Initiationsphase positive Erlebnisse. Die Initiationsurkunden (1955 und 1963) wurden von Paul und Gail persönlich unterschrieben. Pauls Unterlagen enthalten zudem mehrere Fotografien von ihm zusammen mit Kirpal Singh. Diese waren 1955 während Kirpal Singhs erster Tour durch die USA aufgenommen worden.

Allein im Jahr 1955 hatte Twitchell Kirpal Singh zehn Briefe geschrieben, in denen er in jedem sehr genau seine inneren Erfahrungen während der Meditation beschrieb. Sieht man genauer hin, zeigt sich ,dass die meisten dieser Erfahrungen sich im Schlafzustand ereignet hatten. Das bedeutet, dass Twitchells innere Reisen zum größten Teil mehr oder weniger bewusst herbeigeführte Traumreisen waren. Man bekommt den Eindruck, dass Twitchells Technik, den Körper zu verlassen, einfach darin bestand, sich hinzulegen und einzuschlafen, um Minuten oder Stunden später in einem klaren (sprich astralen) Traum aufzuwachen. Wahrscheinlich hat genau aus diesem Grund Kirpal Singh einen Großteil von Twitchells inneren Erfahrungen als inkorrekt und unvollständig abgetan.

In keinem von Kirpal Singhs Briefen findet sich eine Rüge für Twitchells Verhalten. Kirpal Singh war eher tolerant und schien immer an Twitchells Arbeit interessiert zu sein. In einem Brief bat Kirpal Singh Twitchell sogar darum, ihm bei der Veröffentlichung seiner Bücher in Amerika zu helfen.

Schließlich zeigt sich aus Twitchells Unterlagen das Bild eines spirituellen Suchenden, der sich aus finanziellen Gründen in einen finanziellen Opportunisten verwandelt hat. Anstatt seine Schwächen zuzugeben, erfand er für sich das Image des wahrhaft erleuchteten spirituellen Meisters vom Orden der Vairagi.